Migration
Gründe für irreguläre Migration
Obwohl also der überwiegende Teil der Migration aus Afrika in die EU auf regulärem Weg erfolgt, sind Aspekte wie die Sicherung von Grenzen, Fragen nach Asyl und Abschiebung illegal eingereister Migrant*innen zu intensiv diskutierten Themen in der EU geworden. Aus der Perspektive der politischen Führung der EU sowie der EU-Mitgliedsstaaten ist vor allem die Kontrolle über die irreguläre Einreise problematisch. Für die meisten Asylsuchenden und Geflüchteten gilt jedoch, dass sie gar keine Option für geregelte Zuwanderung haben. Die Einreise erfolgt deshalb zunächst irregulär, vielfach in der Hoffnung in der EU einen sicheren Aufenthaltsstatus zu erlangen. Wie der Status von irregulären Migrant*innen legalisiert und Beschäftigungsmöglichkeiten verbessert werden können („Spurwechsel“), sind aber Themen, die allzu oft in den Hintergrund rücken.
Eine kürzlich erschienene Studie des ifo-Instituts gibt Aufschluss über die Gründe vieler Menschen, die irregulär in die EU einreisen. Demnach flohen mehr als drei Viertel (77 %) vor Krieg und Verfolgung, bei den Menschen aus Afghanistan, Irak, Somalia, Sudan, und Syrien lag der Anteil sogar bei über 90%. Etwas mehr als ein Fünftel (21 %) kam in der Hoffnung auf eine bessere wirtschaftliche Situation nach Europa. Für Migrant*innen aus Algerien und Marokko lag dieser Anteil jedoch bei weit über 80 %. Die meisten irregulären Migrant*innen in die EU kamen laut dieser Studie aus Syrien, Afghanistan, Irak, Nigeria und Pakistan. Damit gehört nur ein afrikanisches Land zu den TOP 5 Herkunftsländern. Unter den TOP 20 sind jedoch zusätzlich Eritrea, Marokko, Guinea, Senegal, Mali, Sudan, Somalia, Côte d’Ivoire, Algerien Ägypten, Ghana, Kamerun und Libyen auf der Liste. In vielen dieser Staaten – selbst in Ghana oder Senegal – werden Konflikte oder Vertreibung von einem großen Teil der Migrant*innen als Migrationsgrund angegeben. Mit einigen Ausnahmen gilt aber auch, dass für viele Migrant*innen aus afrikanischen Ländern, insbesondere aus den Maghreb-Staaten, wirtschaftliche Gründe oft eine wichtige Rolle für die Migration spielen.
Wachsender Sicherheitsdiskurs
Dialog mit afrikanischen Staaten zur Migrationskontrolle
Seit dem deutlichen Anstieg der Flucht- und Migrationsbewegungen im Jahr 2015 hat die EU ihren Dialog mit afrikanischen Staaten zur Migrationskontrolle verstärkt. Mit den afrikanischen Staaten entlang der westlichen Migrationsroute existiert ein solcher Dialog- und Konsultationsrahmen mit dem ‚Rabat-Prozess‘ bereits seit 2006 und umfasst neben europäischen auch Länder aus Nord-, West- und Zentralafrika. Ziel ist es einerseits, mehr legale Migrationswege zu schaffen und Synergien zwischen Migration und Entwicklung besser zu nutzen. Vor allem aber soll auch irreguläre Migration und Schleuserkriminalität bekämpft werden, z.B. über eine verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Grenzmanagement, Grenzkontrollen und Polizeiausbildung. Im Jahr 2014 wurde ein ähnliches Dialogforum auch mit den Ländern entlang der östlichen afrikanischen Migrationsroute im Rahmen des sog. ‚Karthum-Prozesses‘ initiiert. Dass damit auch die Kooperation mit Regierungen gesucht wurde, die teilweise zu den autoritärsten Regimen der Welt gerechnet werden können, wie beispielsweise aus Eritrea oder seinerzeit auch dem Sudan, und die teilweise gerade die Ursache für Flucht und Migration darstellen, war viel kritisiert worden. Der Sudan unter dem mittlerweile gestürzten Diktator Omar al-Baschir wurde als zentrales Partnerland auserkoren. Unter demokratischen und menschenrechtlichen Gesichtspunkten ist dies extrem fragwürdig.
Bei einem gemeinsamen EU-Afrika Gipfel in Valletta/Malta 2015 wurden die beiden Prozesse mit einer gemeinsamen Erklärung und einem neuen Aktionsplan bekräftigt. In diesem Zuge wurde auch der EU Notfall Treuhandfonds für AfrikaDer EUTF soll Stabilität in Afrika fördern und zur Eindämmung von Fluchtursachen in afrikanischen Staaten beitragen. Aktuell werden durch das Instrument 26 Länder bei der Bekämpfung von Destabilisierung, Zwangsvertreibung und irregulärer Migration unterstützt. geschaffen. Insgesamt sollen 1,8 Mrd. Euro aus EU-Mitteln zur Bewältigung der grundlegenden Ursachen irregulärer Migration bereitgestellt werden. Ziel ist es, die Herkunftsregionen von Flüchtlingen und Migrant*innen zu stabilisieren, aber auch, den Kampf gegen kriminelle Schleuserbanden zu stärken. Die EU will armutsbedingte Migration verringern und jungen Afrikaner*innen eine Bleibeperspektive in ihrer Herkunftsregion bieten. Der Länderfokus des Notfall-Treuhandfonds liegt dabei auf den Regionen, aus denen der Großteil der Flüchtlinge und Migrant*innen nach Europa kommt: die Sahel-Region und die Region um den Tschadsee, das Horn von Afrika und der Norden Afrikas. In nicht wenigen Fällen arbeitet die EU dabei mit diktatorischen Regimen zusammen, die die Menschenrechte in ihren Ländern systematisch verletzen. Gelder der Entwicklungszusammenarbeit, die für die Stärkung der Zivilgesellschaft und menschenwürdige Arbeitsbedingungen ausgegeben werden sollten, werden stattdessen zumindest teilweise in die Finanzierung des Grenzschutzes oder die Aufrechterhaltung diktatorischer Regime investiert.
Denn die Mittel sollen hauptsächlich aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEFDer Europäische Entwicklungsfonds (EEF) ist das wichtigste Instrument der EU im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit mit den AKP-Staaten. Er unterstützt Maßnahmen in Entwicklungsländern und -gebieten zur Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Entwicklung sowie der regionalen Zusammenarbeit.) kommen. Das spiegelt wider, dass Entwicklungszusammenarbeit zunehmend als „Lösung“ für das „Migrationsproblem“ angesehen wird. Dabei zeigt fundierte Recherche, dass Armut nicht der wichtigste Auslöser von Migration ist. Mobilität und Migration stehen vielmehr in einem komplexen, wechselseitigen Verhältnis zu Entwicklung. Langfristige Antworten sind sehr komplex und betreffen neben den Fragen der Außenpolitik auch eine Auseinandersetzung mit den Fragen, die strukturelle Ungleichgewichte weltweit verursachen, beispielsweise die Handels-, Agrar- und Fischereipolitik.